Kantonales Veloweggesetz mit Schaltproblemen

Das im Jahr 2018 von der Schweizer Stimmbevölkerung angenommenen Veloweggesetz verpflichtet seit dem 1. Januar 2023 die Kantone und Gemeinden dazu, den Freizeitveloverkehr sicher und attraktiv zu gestalten. Gemäss dem Abschnitt 4 Art. 17 müssen die Kantone eine Fachstelle für Velowege bezeichnen und deren Aufgaben festlegen. Zwar gibt es im Amt für Verkehr und Tiefbau (AVT) einen Verantwortlichen für den Fuss- und Veloverkehr, dort will man jedoch nichts von Mountainbike-Infrastruktur wissen. Man habe zu wenige finanzielle und personelle Ressourcen, es brauche zuerst einen politischen Vorstoss.

Die IG MTB-SO hatte verstanden, dass sie das Heft selbst in die Hand nehmen muss und kontaktierte bald darauf mehrere Solothurner Kantonsräte, welche unterstützen könnten. Für den Wissenstransfer und die Diskussion für das Vorgehen wurde bei Solothurn Tourismus ein Tre[en organisiert, an dem der Beschluss für eine kleine Anfrage gefasst wurde. Mit dieser wurde der Regierungsrat gefragt, ob bereits Schritte zur Überführung des nationalen Veloweggesetzes (VWG) in kantonales Recht unternommen wurden und wie der Fahrplan für die darin geforderte Planung und Umsetzung der Alltags- und Freizeitnetze aussieht. Das Mountainbiken ist Bestandteil der Velofreizeitnetze. Weiter wollten wir wissen, wer für den Langsamverkehr im Allgemeinen und im Spezifischen für den Velofreizeitverkehr innerhalb der Verwaltung zuständig ist oder sein sollte. Dies ist nicht offensichtlich, weil zum Beispiel die Solothurner Wanderwege vom Amt für Raumplanung (ARP) beauftragt sind, nicht vom AVT. Zuletzt wollten wir wissen, ob im Kanton ein Monitoring besteht, welches Nutzungsfrequenzen von Wandernden und Mountainbikenden erhebt.

Stiefmütterliche Behandlung
Im Regierungsratsbeschluss vom 12. März (Antwort auf die kleine Anfrage) wurden primär die Velo-Alltagswege erwähnt. Mit dem revidierten Velonetzplan erfülle man bereits wesentliche Anforderungen des VWG. Während die Planungskorridore für den Alltagsverkehr als Teil des kantonales Richtplans behördenverbindlich festgelegt wurden, seien die Freizeitrouten «orientierend» in den Plan aufgenommen worden. Im Kanton bestünden schon heute Mountainbikerouten mit einer Streckenlänge von rund 57 Kilometern. Aktuell seien keine (!) zusätzlichen Mountainbikerouten vorgesehen. Es wird an dieser Stelle von der IG MTB-SO auf Artikel 4 Absatz 2 vom Bundesgesetz über Velowege hingewiesen, welcher Mountainbike-Routen namentlich erwähnt und die Planungsgrundsätze in Artikel 6 beschreibt. Demnach muss die zuständige Behörde unter anderem dafür sorgen, dass die Netze eine angemessene Dichte haben und attraktiv sind. Erachtet der Regierungsrat 57 Kilometer Mountainbike-Routen als angemessen?

Mit 75 Stellenprozenten zum kantonalen Velowegnetz der Zukunft
Basierend auf dem Auftrag aus dem Richtplan signalisiert das Amt für Verkehr und Tiefbau die Freizeitrouten von SchweizMobil (inkl. Mountainbike). Der Kanton verfüge allerdings nicht über die Kompetenz, Infrastrukturmassnahmen auf Mountainbikerouten von SchweizMobil abseits von Kantonsstrassen zu finanzieren. Die Verantwortung für das Mountainbiken wird damit abgeschoben. Dies wird noch deutlicher mit folgendem Ausschnitt aus dem Regierungsratsbeschluss:
«Im Bereich Mountainbike gilt es, die komplexen Fragen bezüglich Nutzungskonflikten – beispielsweise zwischen Wald und Velointeressen – zu klären. Der Regierungsrat sieht hier den Kanton in der Pflicht, die Zuständigkeiten im Hinblick auf allfällige zukünftige Begehren für Mountainbikerouten zu regeln.»

Was mit «Kanton» gemeint ist, wird wohl bewusst offengelassen. Ob es sich um Desinteresse oder Ohnmacht des Regierungsrates in Bezug auf das Mountainbiken handelt, bleibt vorerst ungeklärt. Klar ist hingegen, dass der Kanton in Sachen Mountainbiken momentan nichts unternimmt und o[enbar auch nicht daran interessiert ist, sich die für das Mountainbiken im Kanton notwendigen Kompetenzen anzueignen und die MTB-Bewegungen in die für sie gewünschte Richtung lenken zu wollen. Die im Jahr 2020 gescha[enen 75 Stellenprozente reichen auch schlicht nicht aus, um den Velo Alltags- und Freizeitverkehr der Zukunft fristgerecht planen zu können.

Was wirklich zählt und gezählt wird
Interessant ist auch die Antwort bezüglich des Monitorings im Kanton Solothurn. Die Velofrequenzen in den Agglomerationen Olten und Solothurn werden mithilfe von 20 automatischen Zählstellen und alle fünf Jahre im Rahmen der gesamtkantonalen Verkehrserhebung an einem Stichtag erhoben. Doch obschon beide Erhebungen auch den Freizeitverkehr beinhalten, existieren keine regelmässigen Zählungen des Mountainbike- Verkehrs. Äusserungen zur Veränderung des Mountainbike-Verkehrs im Kanton Solothurn sollten somit kritisch hinterfragt werden. Insbesondere dann, wenn die Zunahme als Problem bezeichnet wird. Es gibt schlicht zu wenige Daten, um eine verlässliche Aussage dazu machen zu können.

Bundesrat will Singletrails für Mountainbikende
So lethargisch der Kanton Solothurn mit dem Thema Mountainbiken umgeht, so würdigend sind die Erläuterungen in der Botschaft zum Veloweggesetz des Schweizerischen Bundesrates. Dort steht, dass «zum Mountainbiken [..] auch sogenannte Singletrails, schmale Wege und Pfade in hügligem oder bergigem Gelände ohne Hartbelag, geeignet» seien. Und zum Velofahren in der Freizeit schreibt er ausserdem: «Im Vordergrund stehen das Landschafts- und Naturerlebnis, beim Mountainbiken werden zudem fahrtechnische Herausforderungen angestrebt.» Die aktuellen 57 Kilometer Mountainbike-Routen im Kanton werden den heutigen Anforderungen nicht gerecht. Was nicht bedeutet, dass der Kanton ein ganzes Trailnetz aus dem Boden stampfen muss. Es reicht aus, wenn in Zusammenarbeit mit MTB-Organisationen vorhandene, attraktive Wege ausgewählt und signalisiert werden.

Die Zeit läuft. Der Kanton Solothurn bildet beim Planungsfortschritt schweizweit mitunter das Schlusslicht und droht die Frist bis Ende 2027 zu verpassen, bei welcher konkrete Pläne für die Umsetzung vorliegen müssen. Die Kantone Aargau, Solothurn und Waadt sind die einzigen, in welchen noch nicht einmal die Zuständigkeiten geklärt sind. Sollte der Kanton Solothurn wider Erwarten doch noch versuchen wollen, die Umsetzungsplanung bis 2027 abzuschliessen, könnte ein Blick über die Kantonsgrenzen hinaus helfen und den Prozess beschleunigen. Aber man bewegt nichts, wenn man sich selbst nicht bewegt.

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