Das Mountainbiken im Wald sei problematisch. Für das Wild, welches sich gestört fühle und die Waldwege, welche durch das übermässige Befahren stark abgenutzt würden. Auch würden Mountainbikende keine Rücksicht nehmen auf die Wandernden und andere Freizeitnutzenden. Mehr noch: Die Mountainbikenden fahren abseits der Wege, was besonders problematisch sei für das Wild. Ausserdem habe das Mountainbiken in den letzten Jahren stark zugenommen, so auch das Konfliktpotential. Und nicht wenige fahren mit ihren SUV und dem Bike auf dem Heckträger an den Wochenenden in die Alpen. Das Mountainbiken sollte verboten werden.
Sind dies nur haltlose Behauptungen oder ist da was dran? Handelt es sich dabei um eigene Erfahrungen oder Mythen, welche leichtsinnig weiterverbreitet werden? Ist das Mountainbiken tatsächlich ein Problem?
Mit dieser Blog-Serie versuchen wir, mehr Licht ins Dunkel zu bringen, einzuordnen und ein paar Gedankenexperimente anzubieten.
Mythos: Mountainbikende verursachen Landschäden
Mountainbiken ist eine weggebundene Freizeitaktivität. Das bedeutet, dass das Mountainbiken auf bestehenden Wegen stattfindet. Auf Wegen, welche durch Menschenhand oder Maschinen geschaffen wurden. Das Anlegen der Wege selbst ist dabei der schwerwiegendste Eingriff in die Natur: Die Wege zerschneiden Lebensräume und können schlimmstenfalls für eine Isolation von Populationen führen. Die Landschaftszerschneidung ist ein Hauptgrund für den Rückgang der Artenvielfalt. Bei der Nutzung bereits bestehender Wege ist dagegen ein deutlich geringerer Einfluss feststellbar.
Die sichtbare Erosion und Freilegung des Bodens von Wegen sind primär ein Problem der Ästhetik und des Unterhalts. Das soll aber nicht heissen, dass das ästhetische Empfinden anderer Nutzer vernachlässigt werden kann. Gerade dieses Empfinden hat Einfluss auf die gegenseitige Akzeptanz unter den verschiedenen Nutzergruppen.
Bei der Freilegung des Bodens sind zwischen dem Mountainbiken und dem Wandern nur marginale Unterschiede feststellbar. In steilem Gelände wird beim Gehen sogar tendenziell mehr Boden abgetragen, weil dort das punktuelle Gewicht beim Mountainbiken sinkt. Doch während zwischen gutem und schlechtem Gehen kaum Unterschiede auszumachen sind, ist beim Mountainbiken die Fahrtechnik äusserst relevant. Schlechte Fahrtechnik kann auf einem Weg wesentlich mehr Erosion verursachen. Die Beeinträchtigung hängt dabei aber bedeutend vom Gefälle, der Bodenbeschaffenheit und den Wetterkonditionen ab. Aber noch einmal: Auf einem bereits angelegten und verdichteten Weg stellt die Erosion zwar ein Problem für eben diesen (und den Unterhalt) dar, ist aber kein unmittelbares Problem des Naturschutzes.
Und was ist jetzt mit den Mountainbikenden?
Problematisch sind Abkürzungen (Spitzkehren, Serpentinen, etc.) und Ausweichstellen bei Schlammstellen und Pfützen. Dabei wird der Weg verlassen und der schmale Weg folgenreich verbreitert. Das ist aber keine Eigenheit des Mountainbikens. Im Gegenteil: Ein viel begangener Weg (zu Fuss) zeigt eher Tendenzen von Ausweichstellen und Abkürzungen. Die Frequenz ist ausschlaggebend. Die vollständige Regeneration des beeinträchtigten Waldbodens kann ein bis eineinhalb Jahre dauern.
Die Mountainbikenden im Kanton Solothurn haben ein Trail-Paradies direkt vor ihrer Haustür. Neue Trails braucht es kaum. Die bestehenden Wege müssen gepflegt und dort optimiert werden, wo notwendig. Die Mountainbikenden können mit einer umweltverträglicheren Fahrtechnik jedoch zu langlebigeren Wegen beitragen. Kein Bremsen mit blockiertem Hinterrad! Keine Abkürzungen bei Serpentinen! Auf dem Weg bleiben, auch wenn es mal schlammig und nass ist. Besonders dann!
Internalisierung externer Kosten
Jüngst hat der Verband der Waldeigentümer gefordert, dass die Mountainbikenden für den Unterhalt der Waldwege zur Kasse gebeten werden sollen. In einer Medienmitteilung vom März ist von ein bis zwei Franken pro Laufmeter die Rede. Unter der Inwertsetzung wird nicht nur die Deckung der Mehraufwände und Mindererträge angestrebt, sondern auch das Zurverfügungstellen für Mountainbike-Infrastrukturen.
Doch wer soll das bezahlen?
Bei Mietwohnungen wird zwischen normaler und übermässiger Abnutzung unterschieden. Der Vermieter stellt eine Fläche zur Nutzung zur Verfügung. Nach einer gewissen Zeit (zwischen Wohnungsübernahme und -abgabe) wird die Abnutzung der genutzten Flächen beurteilt und entsprechend als «normal» oder «übermässig» klassiert. Je nachdem wird diese toleriert oder in Rechnung gestellt. Klar, der Vergleich ist nicht ganz einfach. Doch eines ist gut nachvollziehbar: Jede Nutzung führt zu einer Abnutzung und ist bis zu einem gewissen Ausmass «normal». Aber ebenso klar ist, dass so oder so Kosten entstehen und jemand diese übernehmen muss.
Relationen
Der Vollständigkeit halber muss nun auch der Waldeinschlag und die Rückegassen der Forstwirtschaft angesprochen werden. Die Unterschiede der Wahrnehmung im Vergleich zur Freizeitaktivität Mountainbike sind bemerkenswert. Während die Mountainbikenden mit vielleicht etwa 100 kg Gesamtgewicht auf Waldwegen unterwegs sind, bewegen sich Waldmaschinen mit mehreren Tonnen quer durch den Wald, auch abseits der Wege. Zudem stossen sie Treibhausgase aus und verursachen Lärmemissionen, was wir hier nicht weiter vertiefen wollen. Aber das eine hat einen monetären Nutzen, das andere nicht. Obschon auch die Gesundheit der Menschen inwertgesetzt werden müsste, was wir hier aber auch nicht vertiefen wollen. Ein Auszug aus der Medienmitteilung von Wald Schweiz (Verband der Waldeigentümer) bringt die Diskrepanz auf den Punkt: «Rückegassen [..] gelten nicht als Weg. Deren Befahren stellt eine unzulässige nachteilige Waldnutzung dar und überschreitet das freie Betretungsrecht.» Natürlich sind Rückegassen kein Weg. Aber während das Befahren der Rückegasse mit dem Mountainbike zum Problem gemacht wird, spielt es offenbar keine Rolle, dass zuvor eine tonnenschwere Maschine alles plattgewalzt hat. Und schon alleine diese Erwähnung zeigt, wie wenig Kenntnisse über das Mountainbiken vorhanden sind. Mountainbiken auf solch unwegsamem Untergrund ist weder interessant noch bringen solche Sackgassen Mountainbikende an ein Ziel. Wieso sollten Mountainbikende also Rückegassen befahren?
Historisch gesehen sind alle unsere Wälder Nutzwälder, weshalb es heute ein so dichtes Wegnetz gibt. Und Holz ist eine wichtige und klimafreundliche Ressource. Rückegassen sind notwendig und grundsätzlich kein Ärgernis. Wenn jedoch explizit Mountainbikende für die Nutzung der Waldwege zur Kasse gebeten werden, während Waldmaschinen in keinem Verhältnis stehende Landschäden verursachen, ist das stossend und zynisch.
Solothurner Freizeitwege
Es muss auch die Frage beantwortet werden, welchen Beitrag der menschengemachte Klimawandel und seine Folgen wie z.B. höherer Erosion infolge Starkregens leisten. Die Anteile der Klimawandelfolgen als Kollektivverschulden dürfen nicht den Freizeitaktivitäten verrechnet werden. Doch auch die individuellen Verursacher müssten zuerst identifiziert, statistisch erfasst und kategorisiert zur Kasse gebeten werden.
Wenn der Unterhalt der Wege verursachergerecht finanziert werden soll, dann müssen die Bewegungen der Freizeitaktivitäten nach Frequentierung und Bodenabtrag gemessen und die Kosten gerecht verteilt werden. Das kostet viel Zeit und Geld. Weshalb löst man es nicht so wie z.B. bei den Wandernden? Die Solothurner Wanderwege haben eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton Solothurn und erhalten von diesem jährlich finanzielle Mittel für den Unterhalt des Wegenetzes. Das könnte man bei den Mountainbikenden auch tun. Und bei den anderen Freizeitaktivitäten ebenso. Mehr noch: Weshalb erhöht der Kanton nicht einfach die Beiträge an die Solothurner Wanderwege, welche die Wege für alle Freizeitnutzenden unterhält? Wäre das nicht kostengünstiger als ein aufwändiges Monitoring? Vorschlag: Mit den beim Kanton Solothurn ohnehin stark begrenzten Mitteln unkomplizierte Lösungen (Unterhalt der von allen genutzten Waldwegen) finanzieren ist sinnvoller und zielführender als Schuldige suchen (Monitoring).
Künftige «Solothurner Freizeitwege» wären zuständig für nachhaltigen Wegunterhalt, würden die Bedürfnisse der verschiedenen Nutzenden bei der Wegbeschaffenheit berücksichtigen und könnten Synergien nutzen. Es wäre kein aufwändiges Monitoring notwendig, kein teures Equipment und weniger personelle Ressourcen.
Fazit
Wer glaubt, dass Mountainbikende Hauptverursacher beim Bodenabtrag auf den bestehenden Wegen sind, muss sich von diesen gefühlten Wahrheiten verabschieden. Diverse Studien zeigen, dass das Mountainbiken mitverantwortlich ist aber nicht hauptsächlich. Und dieser Bodenabtrag ist für die Natur kein Problem, sondern nur für den Weg selbst. Wer dies stört, kann entweder ein Problem daraus machen und Polemik betreiben oder unkomplizierte und effiziente Lösungen unterstützen. Was bei den Wandernden funktioniert, kann auch beim Mountainbiken gelingen. Es braucht weder Verbote noch die Neuerfindung des Rades. Mountainbikende sind auch Wandernde und Wandernde sind nicht selten auch mit einem Mountainbike unterwegs. Koexistenz muss die Lösung sein. Miteinander, nicht gegeneinander. Gemeinsam nutzen, gemeinsam Sorge tragen!
Quellen:
Mader, H.-J. (1984): Inselökologie – Erwartungen und Möglichkeiten. Laufener Seminarbeiträge, 7, S. 7–16.
Thurston, E.; Reader, R. J. (2001): Impacts of experimentally applied mountain biking and hiking on vegetation and soil of a deciduous forest. Environmental Management, 27/3, S. 397–409.
Marion, J.; Wimpey, J. (2007): Environmental impacts of mountain biking: Science review and best practices. In: Managing mountain biking: IMBA’s guide to providing great riding.
Cessford, G. R. (1995): Off-road impacts of mountain bikes: A review and discussion. Science & Research Series, 92. https://www.waldschweiz.ch/de/verband/medien/medienmitteilungen/mm24